Einfache Genüsse – Nachhaltigkeit auf dem Teller
Beim Essen sind oft die einfachen Genüsse die schönsten. Aber es geht ja längst um viel mehr: nachhaltig einkaufen, Tier und Umwelt schützen, ausserdem regelmässig fasten. Das ist gar nicht so einfach.
Die Overindulgence-Kultur bringt uns an unsere Grenzen. Es ist kein Geheimnis (wahr!), dass wir zwei Erden benötigen würden, wenn jeder auf der Welt so essen würde wie Europa und Nordamerika. Aber es geht nicht nur um unsere eigene Nahrungsversorgung – mehr als die Hälfte unserer Nahrungsmittel wird mittlerweile an Tiere verfüttert, die für unseren Verzehr gezüchtet werden. Deshalb müssen wir, um es mit den Worten des Naturverbundenen Prinzen Charles zu sagen, „zurücktreten, den Pfad finden, auf dem wir uns verlaufen haben, und eine neue Richtung einschlagen“.
In vergangenen Zeiten wurde Fleisch als Luxusgut betrachtet, selbst für wohlhabende Menschen, und war nur an besonderen Feiertagen oder am Sonntag erlaubt. Es mag uns wie eine Ewigkeit vorkommen, aber tatsächlich ist dies noch gar nicht so lange her.
Nun, es ist nicht unbedingt erforderlich, dass wir so rigide wie Prinz Charles werden, der nur noch dynamisches Gemüse isst und sich lediglich von Tieren ernährt, die auf Highgrove Farm gehalten werden, wo Hühner und Kühe wahrscheinlich Tag für Tag Sonette von Shakespeare hören.
Allerdings ist es wichtig, sich bewusst darüber zu sein, was wir essen und woher es kommt. Eine ausgewogene Ernährung, die auf Nachhaltigkeit und artgerechter Tierhaltung basiert, kann dazu beitragen, unsere Umwelt zu schützen und unseren Körper gesund und vital zu halten.
Ich bin ein echter Gourmet und liebe es, mich kulinarisch zu verwöhnen. Essen hat für mich eine fast magische Wirkung und kann mein Gemüt beleben. Ein knuspriges Stück Bio-Brot mit cremiger Butter und einer Prise Salz – das ist für mich purer Genuss! Für mich zählt dabei nicht nur der Geschmack, sondern auch das emotionale Erlebnis. Wenn ich irgendjemandem erzähle, dass ich etwas nicht essen darf oder soll, gerate ich regelrecht in Panik. Aus diesem Grund hat mich meine Frau dazu gedrängt, eine Kurklinik aufzusuchen, um nicht nur abzunehmen, sondern auch ein neues Verständnis für gesunde Ernährung zu entwickeln.
Um den Aufenthalt für mich zu vereinfachen, hat sie für mich ein Kurhotel gebucht, welches malerisch an einem See im Salzkammergut liegt. Das Hotel ist modern, jedoch komplett aus Holz gebaut. Grossteils besteht das Publikum aus reichen Frauen aus England, Russland und Indien. Diese Art von Gästen sind in der Regel zu abgehoben, um wirklich sympathisch zu sein. Zusätzlich zum körperlichen Fasten gab es auch digitales Fasten auf dem herrlichen Seeanwesen sowie am Steg und im Schwimmbad. Trotz der teuren, jedoch entspannenden Anwendungen musste ich immer wieder Telefongespräche mithören, die wie folgt klangen: „Gianni, prego! Listen to me! Wir müssen das Katerfrühstück im Beachclub machen! I know what I’m talking about.“
Niemand möchte schon beim Aufwachen im Hotel den Berg zum Castello Qualche Cosa hinauf fahren! Warum kompliziert, wenn es doch so einfach geht: Ab in den Blazer und das Strandkleid, auf zum Strand, Fingerfood geniessen und alle, die am frühen Nachmittag noch ihre Slots erreichen müssen, sind im Handumdrehen am General Aviation Terminal.
Das Schwimmbad war gigantisch und bot einen wahren Geheimtipp: eine Art wiedergeburtserlebende Erfahrung in einem der Seitenbecken. Hier brachte ein therapeutisch ausgebildeter Spezialist aus Wien (wer sonst?) die Gäste mit sanfter Hand und aufmunternden Walgesängen durch das lauwarme Wasser, während sie mit Nasenklammern ausgestattet waren und suggestive Fragen gestellt bekamen. Obwohl es soviel kostete wie ein Kleinwagen in Indien, für viele Gäste ist dies das absolute Highlight ihres Aufenthalts.
In den letzten Jahren hat sich eine regelrechte Forschungswelle um die jahrhundertealte Praxis des Fastens entwickelt. Und das aus gutem Grund: Zahlreiche Studien zeigen, dass wir uns deutlich besser fühlen, wenn wir weniger essen – und besonders gut, wenn wir ein- bis zweimal im Jahr für zwei bis drei Wochen auf Nahrung verzichten. Das Fasten zeigt messbare Erfolge bei der Behandlung von Herz- und Gefäßerkrankungen, Magen- und Darmproblemen, Arthrose, Rheuma, Allergien, Migräne, Akne, Diabetes, Burnout, Schlafstörungen und Depressionen. Es ist beeindruckend zu sehen, wie diese alte Praxis unsere Gesundheit auf so viele Weisen positiv beeinflussen kann.
Entspannen, heilen, erneuern: Ein Tag im Kurort
Die Tage in Kurorten sind erstaunlich kurzweilig, dank entspannender Liegekuren, wohltuender Leberwickel, beruhigender Massagen und herrlicher Heubäder, die den Tag im Nu vergehen lassen. Seltsamerweise ist Langeweile für diejenigen, die nichts anderes zu tun haben als sich um ihre Verdauung und ausreichend Ruhe zu kümmern, eine Fremdwörter. Wichtige Höhepunkte strukturieren den Tag und verleihen ihm Halt: Die regelmässigen Mahlzeiten, auch wenn diese nicht unbedingt kulinarische Feuerwerke sind. Aber falls man diese spezielle Ergänzung beantragt, kann man sich über sogenannte Kauhilfen freuen – winzige Brotstücke aus Buchweizen, verfeinert mit einem Schuss Hanf- oder Leinsamenöl, die man wie ein Wiederkäuer minutenlang kaut und im Mund hin- und herbewegen soll. Ein kleiner Genuss für zwischendurch!
Wer sich in Kuranstalten nach dem F.-X.-Mayr-Prinzip aufhält, wird schon am Anfang von einer wichtigen Praxis überzeugt – der Konzentration aufs Essen. Hier wird nicht geplaudert, gelesen oder abgelenkt. Stattdessen gilt es, sich ganz auf den Kauvorgang und das Essen selbst zu fokussieren. Beim Blick aus dem Fenster oder der gegenseitigen Augenkontakt mit den anderen Kurgästen, die ebenso allein an ihren Tischen sitzen, darf nicht vergessen werden, dass während des Essens jegliche Art von Unterhaltung untersagt ist.
Meine drei Wochen im Luxussanatorium waren einfach berauschend. Ich fühlte mich nicht nur vitaler, sondern konnte auch einen deutlichen Gewichtsverlust verzeichnen. Besonders beeindruckt hat mich die Disziplin, die ich mir beim Essen angeeignet habe. Zugegeben, nach zwei weiteren Wochen fiel ich in alte Essmuster zurück und mein Bauchumfang ist wieder gewachsen, aber ich bin immer noch überzeugt davon, dass ich mir etwas Gutes getan habe. Schliesslich ist es natürlich, dass unser Körper Schwankungen in puncto Gewicht durchmacht. Unsere Vorfahren, die Jäger und Sammler, kannten das Phänomen bereits. Mühsam ist es jedoch, in Eile ständig nach passenden Hosen suchen zu müssen.
16 Stunden ohne Essen – Die erstaunlichen Auswirkungen des Intervallfastens
Es wird berichtet, dass der heilsame Effekt des regelmässigen Fastens nicht ausschliesslich auf den Gewichtsverlust zurückzuführen ist. Im Jahr 2016 hat der Japaner Yoshinori Ohsumi den Nobelpreis für Medizin erhalten, da er die wundersamen Vorgänge im Körper entdeckt hat, die auftreten, wenn man einen täglichen Essensverzicht von 16 Stunden einhält (intervallfasten). Diese Vorgänge werden als „Autophagie“ bezeichnet und führen dazu, dass die Zellen des Körpers ausgemistet werden. Um Ersatz für den fehlenden Nahrungsnachschub zu finden, beginnt der Körper damit, zunächst jene schädlichen Proteine, die er ohnehin schon loswerden wollte, zu verwerten. Auf diese Weise kann der Körper krebsfördernde Acrylamide und durch freie Radikale geschädigte Proteine eliminieren. Angeblich tritt dieser Reinigungsprozess bereits nach zwölf bis 14 Stunden Fasten ein.
Grosse Vorsätze haben oft die Tendenz, schnell in einer Hängepartie zu enden. Daher bevorzuge ich kleine, realistische Ziele, die ich dann schrittweise weiter ausbaue. Als Bierliebhaber empfehle ich für den Einstieg die „Saure“, ein helles Bier aus Niederbayern, das mit Mineralwasser aufgefüllt wird. Aber am wichtigsten ist es, die Dinge zu vereinfachen! Die „Planetary Health Diet“ bietet eine umweltfreundliche und gesunde Ernährung: viel Gemüse, wenig Zucker, wenig Fleisch. Eine unkomplizierte und trotzdem effektive Diät lautet: FdH. Einfach weniger essen und mehr Bewegung – das ist die klare Devise.
Es ist eine Herausforderung, den eigenen Körper zu retten, aber die Welt zu retten ist eine andere Geschichte. Es gibt viele Meinungsverschiedenheiten darüber, ob eine nachhaltige Ernährung nur durch Biolandwirtschaft oder auch unter Verwendung von hoch konzentrierten chemischen Substanzen in der industriellen Landwirtschaft erreicht werden kann. Möglicherweise ist der Begriff „Welternährung“ bereits irreführend – denn die Bekämpfung des Hungers ist kein unlösbares Problem. Tatsächlich werden 70% aller landwirtschaftlichen Produkte weltweit von Kleinbauern produziert, was eine vielversprechende Grundlage für eine nachhaltige Ernährung darstellt.
Es ist anzunehmen, dass wir eine nachhaltige Ernährung der Welt durchaus erreichen könnten – vorausgesetzt, wir bereit sind, uns dabei gegenseitig unter die Arme zu greifen. Leider verschwenden wir momentan die Hälfte unserer Ackerflächen damit, unsere Massentierhaltung zu füttern – eine Tatsache, die uns unweigerlich auf lange Sicht einholt. Es fällt schwer zu glauben, dass eine blosse Umstellung der Landwirtschaftsform vonnöten wäre, um die verheerenden Konsumgewohnheiten des Westens auszugleichen. Wir brauchen vielmehr eine umfassende Überdenkung dieser Gewohnheiten, die sich mittlerweile weltweit ausgebreitet haben. Nur so kann eine nachhaltige Bewältigung der globalen Nahrungsmittelversorgung gewährleistet werden.
Für mich ist die Beantwortung der Frage, ob man Bio- oder konventioneller Landwirtschaft den Vorzug geben sollte, eine klare Angelegenheit. Wenn ich Obst und Gemüse kaufe, frage ich mich: Sehe ich den Boden als blosses Substrat, das lediglich dafür da ist, dass sich die Pflanzen darin festhalten können? Dann kann ich genauso gut Ware aus einem fabrikartigen Gewächshaus in Holland kaufen, das auf Kunstwolle wächst. Oder sehe ich den Boden als lebendes Wesen, das die Pflanzen mit Nährstoffen versorgt und somit einen grossen Einfluss auf ihre Qualität und ihre Nährstoffe hat?
In meinen Augen ist es offensichtlich, welchen Weg ich gehe. Indem ich mich für Bio-Produkte entscheide, unterstütze ich eine nachhaltige Landwirtschaft, die den Boden als Organismus betrachtet und ihn bewusst pflegt und erhält. Das ist meiner Meinung nach der einzig sinnvolle Weg, um eine gesunde Ernährung für uns und für die nachfolgenden Generationen zu gewährleisten
Wie wir unser Verhältnis zu Fleisch und Tieren neu definieren können
Wenn es um Fleisch geht, stellt sich für mich die Frage: Betrachte ich Tiere als blosse Gegenstände, deren einziger Zweck darin besteht, so viel Fleisch, Milch oder Eier wie möglich zu produzieren und die in Massenfabriken gehalten werden können? Oder betrachte ich sie als Mitgeschöpfe, die das Recht auf artgerechte Behandlung haben? Wenn ich mich für Letzteres entscheide, ist die Entscheidung einfach. Eckart von Hirschhausen schlägt vor, dass Lebensmittel eine CO2-Angabe auf der Verpackung tragen sollten, ähnlich wie Kalorien, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass eine Rindfleischsuppe zehnmal so viel Treibhausgase produziert wie eine Gemüsesuppe. Der Verbraucher würde dann denken: „Ist das zehnmal so gut? Wohl kaum.“
Falls du den Wunsch hast, dich aktiv an der agroökologischen Revolution zu beteiligen, gibt es einen äusserst innovativen Ansatz, den du in Betracht ziehen solltest: Werde zum Mikrogärtner! Denn die Zukunft gehört den urbanen Farmen und selbstversorgenden Gemeinschaften. Hier wird Wert auf Diversität und kleine Einheiten gelegt, anstatt auf riesige Lebensmittelkonzerne und riesige Bio-Supermärkte. Es ist Zeit, die Macht aus den Händen der Grossunternehmen zu nehmen und selbst Verantwortung für unsere Nahrungsmittelproduktion zu übernehmen.
Die Landwirtschaft hat Städte schon lange als potentielles Anbaugebiet erschlossen. Heutzutage bieten sogar Landwirte in den entlegensten Ecken Deutschlands kleine Parzellen zum Gemüseanbau an, um auch Städtern, die vom grünen Daumen gekitzelt werden, den Traum einer eigenen Ernte zu erfüllen. Für Berliner, die auf der Suche nach einem simpleren Weg sind, gibt es jetzt das Start-up IPGarten. Denn dieses Unternehmen nimmt Gärtnerarbeit den Bürgern ab und sorgt dafür, dass sie von Zuhause aus Blühen und Gedeihen überwachen können. Ein echter Gärtner kümmert sich dabei tagtäglich um den Garten, während man selbst nur noch entscheiden muss, wann Erntezeit ist. Dabei wird das fertige Produkt liebevoll in einem rustikalen Holzkarton geliefert, um das Landleben noch ein bisschen näher zu bringen.
Gartenarbeit gilt als Therapie für Körper und Seele – selbst in der virtuellen Welt. Ausserdem soll der Genuss von selbstangebautem Essen besonders euphorisierend sein. Ich beginne meinen Weg zur Selbstversorgung mit einem kleinen Schritt und ziehe zunächst Schnittlauch auf meinem Fensterbrett heran. Der köstliche Geschmack auf Bauernbrot mit kalter Butter lässt mich schweben. Es sei allerdings angemerkt, dass die Klimabilanz von Butter noch schlechter ist als die von Rindfleisch. Doch auch für mein grünes Gewissen gibt es Grenzen.